Die planerische Vorgeschichte dieser Runde hatte einige Kurven zu nehmen, da eine bedeutende Anzahl unserer Stammspieler verhindert war. Vorne und im Mittelfeld waren wir somit etwas ausgedünnt, während an den hinteren Brettern aber guter Ersatz positioniert werden konnte. Dies war auch wichtig, denn nach zwei Runden ziemlich am Ende der Tabelle rangierend wollten wir den genau punktgleichen Widersacher natürlich bezwingen, um unsere Aussichten für den Rest der Saison zu verbessern. Tigerli empfing uns dazu in einem angenehmen Ambiente, und – weniger angenehm – an den ersten vier Brettern in Bestbesetzung.
Nach einem reibungslosen Start fing es dann für uns zunächst an zu holpern. Bei meinem ersten Rundgang, der diesmal allerdings vergleichsweise spät stattfand, hatte Konrad an Brett 5 noch im Mittelspiel einen Turm weniger, während Heinz (Brett 6) mit schon weniger Figuren auf dem Brett mit einem Läufer in Rückstand war. Die Gegenwehr trug in beiden Fällen keine Früchte, sodass wir bereits mit zwei Brettern hinten lagen.
Tim an Brett 7 dagegen, der zum starken, nachgemeldeten Ersatz gehört, führte alsbald seine Partie souverän zum Sieg. Bereits beim ersten Rundgang sah ich den gegnerischen schwarzen König ohne Rochade herumspazieren und die zum Schutz abgestellten Bauern schon erheblich zerfranst. Es dauerte nicht lange, bis Tim mit seinen Schwerfiguren einfiel und mindestens erheblichen Materialgewinn forcierte.
Währenddessen beschäftigte ich mich mit meiner aktuell offenbar vorherrschenden schachlichen Schaffenskrise. Mit der Eröffnung persönlich erstmal durchaus zufrieden, bei der ich die schwarzen Springer mit meinen Bauern trieb, um mir Raumvorteil zu sichern, verpasste ich offenbar den rechtzeitigen Schwenk in eine ordentliche Entwicklung. Stattdessen sah ich mich plötzlich diversen taktischen Drohungen gegenüber, und es galt lediglich das kleinste Übel herauszufinden. Aber Ihr ahnt es schon… Etwas frustrierend: die computergestützte Analyse fand mein Pferdescheuchen gar nicht so lustig, bescheinigte dem Gegner sogar eine nahezu 100%-Performance. Aber schlimmer noch: Tief im Wirbel der Bedrängnis gab es genau einen Zug, mit dem ich die Partie hätte drehen können (von -3 auf +2.5). Nicht gesehen! Wenn das keine Sinnkrise wert ist.
Die Hälfte der Partien also war entschieden und auf dem Papier sah das übel aus, der Kampf aber war noch nicht vorbei! Manfred hatte einen Bauern mehr, Annika eine Qualität. Dietmar dagegen stand gedrückt hinten, während Patrick wiederum solide verteidigt hatte.
Er war es dann auch, der den nächsten Sieg für uns einstrich. Gegen einen ebenso nachgemeldeten, sehr sehr starken Spieler entwickelte sich die Stellung so, dass sich für diesen ein rückständiger Zentrumsbauer auf halboffener Linie bildete, gegen den Patricks Türme und sein Springer hervorragend wirken konnte. Patrick dagegen hatte einen Freibauern auf der a-Linie etabliert, den er dann einfach mal laufen ließ. Dadurch abgelenkt fiel der weiße Zentrumsbauer und Patricks Figuren drangen hinter die feindlichen Linien. Bauerngewinne waren die Folge und nach forciertem Abtausch der Türme war das Endspiel eindeutig gewonnen, was sich der Gegner aber nicht mehr zeigen ließ.
Manfreds Mehrbauer war zwar ein (noch nicht weit fortgeschrittener) Freibauer, allerdings in einem Endspiel mit Springer und Turm gegen Läufer und Turm. Da noch weitere Inseln weit verteilt waren und es dem gegnerischen Turm gegönnt war, tief im eigenen Lager wirken zu können, war es aber nicht trivial. Manfred hätte einen anderen Bauern abgeben müssen, um weiter auf Sieg zu spielen. Es war aber weit ab von einem eindeutig erfolgsversprechenden Plan, die Risiken waren erheblich, daher entschied sich Manfred zu einem Remis.
Derweil entpuppte sich Annikas Vorteil ebensowenig als Selbstläufer. Der Gegner konnte mit den noch massig vorhandenen Figuren ordentlich Druck aufbauen, auch in Richtung König. Abtauschmöglichkeiten boten sich nur spärlich an, und am Ende fiel die Qualität wieder. Mit noch den Damen auf dem Brett hatte schwarz dann sogar das Läuferpaar gegen einen Turm, sehr unangenehm! Allerdings konnte Annika einen davon, zwar durch einen Bauern gedeckt, mit dem Turm raushauen, um den zweiten anschließend mit einem Damengabelschach zu erobern. Das gleichzeitige Remisangebot wurde sogleich angenommen, denn beide Seiten hätten anschließend die Möglichkeit des Dauerschachs durch die Dame.
Nun kam es also auf Dietmar an, nur ein Sieg konnte uns noch das Mannschaftsremis bringen. Er hatte sich die Partie über auf dem Damenflügel recht zurückgezogen gegen drückende offene Turm- und Läuferlinien zu behaupten. Aber was war das? Auf einmal verbuchte er eine überzählige Leichtfigur! Der dafür gegnerische Bauer auf siebter Linie entpuppte sich als wenig gefährlich und konnte neutralisiert werden. So entstand einige Züge später ein Spiel mit vier Bauern und zwei Springern gegen drei Bauern und einem Läufer. Der Gegner kämpfte noch wacker weiter, aber Dietmar ließ sich nicht lumpen, sicherte seine Bauern auf den läuferfarbfremden Feldern und führte seine Figuren sicher an die gegnerischen heran. Am Ende war es aber ein Springermatt, der das Ende besiegelte.
Unentschieden und weiterhin gleich auf mit Tigerli, das ist doch was!