Wir haben unsere Mannschaft mit Spielerausfall aufstellen müssen, da kam uns die Nachmeldung unseres neuen Mitglieds sehr gelegen. So kam es also, dass ich an Brett 1, Fred an 2, gefolgt von Brigitte an Brett 3 und dem Starspieler dank Nachmeldung an Brett 4. So komisch das aussah, dass ein “retired semiprofessional player” in der ersten Kreisklasse an Brett 4 spielt – wir waren happy.
Ich bereitete ihn darauf vor, dass er seine (wahrscheinlich) umfassenden Theoriekenntnisse hier nicht zwangsläufig anwenden kann und er in eine Eloklasse reingerutscht ist, an der Improvisation an der Tagesordnung steht. Seine Antwort: Ich mag das Improvisieren.
Wir starteten also die Spiele und ich nahm mir erstmal – wie immer – “genug” Zeit in der Eröffnung. Als ich dann mit 15min Zeitrückstand im elften Zug einen Bauern gewann, konnte ich mal durch die Runde schauen. Fred hatte den Gegner gefühlt zu einem Schnellschach-Match herausgefordert, die beiden tauschten gewaltig ab. Als ich bei ihm auf das Brett schaute, bekam ich seinen Damentausch mit, der den gegnerischen König direkt auf das Feld E2 zwang und ich mir dann bereits dachte, dass die Partie gar nicht wirklich aus dem Ruder laufen kann. Als ich bei Brigitte (weiß) angekommen war, musterte ich die Stellung, zählte wie immer in Ruhe durch, was sich allerdings als relativ unnötig herausstellte: Ihr auf dem Königsflügel fianchettierte Läufer schielte über die lange Diagonale und sah jeden Fehler des Gegners. Er passte nicht auf und somit schlug Brigitte also während ich noch mit dem Nachzählen beschäftigt war, den Turm ihres Gegners. Dass ein Turm für den Läufer getauscht wird, damit der König geschwächt ist und man selber den starken Läufer behält, habe ich schon gesehen und selbst fabriziert, allerdings gab es bei Brigittes Partie einfach nichts zum Nachdenken; Läufer schlägt den Turm und im nächsten Zug wieder ab in Sicherheit. Sie gewann schlichtweg einfach einen Turm, der noch auf A8 herumträumte. Ich sparte mir also das Nachzählen des Rests, war guter Dinge und ging durch zum letzten Brett. Zu meinem Erstaunen war es keine Stellung, in der Dmitry (schwarz) unfassbaren Materialvorteil besaß (“nur” einen Bauern), aber er hatte einfach alles im Griff. Er war dabei, den nächsten Bauern durch einen Abzug, der durch einen Bauernabtausch im Zentrum ausgelöst wurde, zu gewinnen. Gleichzeitig stand einer der Springer seines Gegners auf A1, also weitaus zu passiv. Ich habe nicht alles durchgerechnet, da sich bei ihm viele Kombinationen ergaben, ich bin mir aber sicher, dass er die schönste Möglichkeit fand, die Partie umzuwandeln. Um bei den Worten unseres ehemaligen Vorsitzenden zu bleiben: die Stellung war einfach kaputt.
Während ich ein weiteres Mal aufstand, um die Stellungen der anderen anzuschauen, hatte Brigitte in diesem Moment gewonnen – ihr Gegner sah keinen Sinn mehr im Weiterspielen und gratulierte ihr: 1-0. Dmitry baute seinen Vorteil weiter aus und stand komplett auf Gewinn, es war nicht lange hin, bis auch er gewann. Zwischendurch hatte Fred eine nochmal interessante Stellung, die dadurch interessant wurde, dass seine zwei Läufer mit Springer gegen zwei Springer mit einem Läufer im Zentrum kämpften. Ich habe nichts konkretes gesehen, glaube allerdings, dass die Stellung sich mit ständigen Drohungen so entwickelt hatte und man keinen falschen Zug machen durfte.
Während ich nun weiter meine Partie versuchte, ruhig runterzuspielen, überraschte mich mein Gegner mit einem Turmopfer: Er schlug einen meiner Zentrumsbauern, sodass wenn ich den Turm mit dem verteidigenden (überlasteten) Bauern schlage, mein Turm auf F4 ungedeckt seiner Dame ausgeliefert würde. Zusätzlich wäre meine Bauernstruktur im Eimer, der Materialvorteil weg und mein König gefährlich offen, mit einem Freibauern vor der Nase. Dabei habe ich doch so daran gearbeitet, seine Dame aus dem Spiel zu nehmen!
Die Rettung war ein Bauernzug: h4. Seine auf g5 stehende Dame wurde angegriffen und musste weichen, wonach ich in Ruhe den Turm schlagen konnte.. So der Gedanke, doch er versuchte weiter, durch Überraschungen Material zu gewinnen bzw. Schadensbegrenzung zu betreiben. Durch die gewählte Abfolge des Abtauschens gewann ich allerdings Material, während gleichzeitig beide Damen fielen und ich somit gut ins Endspiel startete.
Durch ein 2-0 im Rücken bot Fred seinem Gegner mit immer noch gleichem Material an, den Punkt zu teilen, was letzten Endes auch auf Zustimmung traf.
Wiedermal die längste Partie spielend zog sich mein Endspiel. Ich konnte soweit alles Verbleibende abtauschen, sodass meine Freibauern auf der A und D-Linie durch den Mehrläufer abgesichert und unerreichbar für den Gegner waren. Das war der Punkt, an dem mein Gegner resignierte und unsere Mannschaft mit einem entschiedenden 3.5 – 0.5 bzw. 11 – 5 gewann.
Mit der zugesicherten Unterstützung von Dmitry für das Spiel am 22.03. schauen wir nun gespannt auf das nächste Heimspiel gegen sehr DWZ-starke SG Kohlscheid II. – Ingo Zdriliuk